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Family-Bike-Flow in Celerina (CH)

Ich liege im Bett und fahre Kurven. Nein, betrunken bin ich nicht, höchstens noch etwas trunken von der Freude des vergangenen Tages. Gemeinsam mit meiner Familie in einer der schönsten Berg- und Bike-Regionen Biken zu gehen, das ist noch immer ein Glücks-Highlight für mich!

Wir sind in Celerina gelandet, der kleinen, aber so gar nicht unscheinbaren Nachbargemeinde von St. Moritz im Oberengadin. Glanz und Schein bringt hier vor allem die Sonne, denn im Herzen der weiten Talebene gelegen, geöffnet nach gleich drei Himmelsrichtungen, geniesst das charmante Dorf von allen Orten im berühmten Engadiner Hochtal die meisten Sonnenstunden und -tage. Ansonsten geht es in Celerina eher gemütlich zu – ein angenehmer Kontrast zum quirlig-mondänen High Society-Nachbarort und damit perfekt gerade auch für Familien.

Doch uns interessiert vor allem die Bergwelt rundherum und das, was sie für uns als bikebegeisterte Familie zu bieten hat. Natürlich ist uns die Region zwischen Bernina- und Maloja-Pass als Winter- und Wassersport-Paradies ein Begriff, doch auch als Bike-Mekka hat sie sich in den letzten Jahren einen klangvollen Namen gemacht. Das liegt zum einen an der wahrhaft umwerfenden Natur, zum anderen aber auch an einer gezielten Förderung des Bikesports, der mit umfangreichem Trailbau und einem funktionierenden Transportnetz einhergeht. Hier fühlt man sich als Mountainbiker ernsthaft willkommen – dank einer gelebten Trail-Sharing-Kultur auch auf den Wanderwegen, die den Bikern hier bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich offenstehen. Dabei ist der Anspruch kein geringer, möchte man in der Region doch die verschiedensten Bike-Zielgruppen – vom Touren- bis zum Enduro-Fahrer, vom Einsteiger bis zum Könner und nun ganz explizit auch Familien – gleichermaßen ansprechen, abholen und begeistern.

Dreh- und Angelpunkt des dortigen Bike-Geschehens ist die Corviglia, der Hausberg der St. Moritzer mit mittlerweile vier Flowtrails sowie Zugang zu zahlreichen anspruchsvollen Naturtrails. Auch uns zieht es dorthin, denn wir sind neugierig auf den Jüngsten im Bunde: den erst im letzten Herbst eröffneten „Marmotta-Flowtrail“. Praktischerweise shutteln uns Gondel und Sessellift von Celerina aus direkt zum Startpunkt. Von dort schlängelt sich der mit aufwändigem Naturschutz geplante und gebaute „hellblaue Trail“ über gut zwei Kilometer in sanftem Gefälle von der Corviglia hinunter nach Marguns und soll vor allem Einsteiger und Familien glücklich machen. Und das tut er! Unsere 6-Jährige jauchzt über die top-geshapten Wellen und wir mit ihr.

Unten angekommen fordert Luna die Qual der Wahl – nochmal bequem per Sessellift hoch oder doch zuerst eine kurze Pause auf dem grossen Spielplatz gleich neben dem frisch renovierten Bergrestaurant Marguns? Wir entscheiden uns für eine zweite Fahrt und eine dritte … Vom Lift aus beobachten wir flinke Murmeltiere, deren Bauten überall über den Hang verstreut sind und die dem neuen Trail seinen Namen gaben. Fast möchte man meinen, sie sind genauso amüsiert über das bunte Treiben auf dem neuen Trail wie wir über ihr possierliches Treiben.

Nach der schliesslich wohlverdienten Pause sind wir noch lange nicht satt und so stört es uns nicht, dass es direkt von Celerina zwar einen bequemen Weg per Gondel zum Trail hinauf, aktuell aber von dort aus noch nicht wieder hinunter gibt. Wer die Schotterstrasse und breiten Wiesenwege von Marguns hinab ins Tal scheut, für den führt der Weg aktuell nur hinauf Richtung Corviglia – eine kleine Lücke im Trailnetz, die aber in den kommenden Jahren geschlossen werden soll; die Planung läuftbereits auf Hochtouren.

Der Tag ist noch jung, die Sonne blinzelt zunehmend hinter den Wolken hervor und so stehen auf unserem nachmittäglichen Menüplan die beiden anderen blauen Corviglia-Flowtrails. Vom Sessellift aus sind die wenigen Meter hoch zum WM-Flow-Trail rasch geschafft, doch auch der Trail selbst fordert noch ein paar Kurbelumdrehungen, bevor er so richtig in Schwung kommt. Spürbar anspruchsvoller mit ein paar steilen Kurven und holprigen Stellen führt er uns entlang der ehemaligen Ski-WM-Strecke und spuckt uns nach 280 Tiefenmetern und 4 Kilometern mit einem Grinsen in drei Gesichtern wieder aus. Für die berühmte 360°-Kurve fehlte uns zwar etwas der Schwung, aber spannend war sie trotzdem. Noch besser aber gefällt uns der Foppettas-Trail mit seinen engen, verspielten Kurven, leichten Holzelementen und den gut zu fahrenden „Mini Rock Gardens“, der uns schliesslich durch den lichten Märchen-Arven-Wald bis hinab ins Tal nach Champfer leitet. Staubig, durstig und trailgesättigt beschliessen Luna und ich den Biketag und rollen gemütlich zurück ins Hotel nach Celerina, Stefan zweigt nochmal kurz auf den versteckten und durchaus anspruchsvollen Bob-Trail ab, bevor auch er das Rad in die Bikegarage einfährt. 

Fopettas Trail

Am Abend ziehen wir ein erstes Resümee: Flowtrails kann man mögen oder nicht, doch eines ist sicher: für Kinder und Familien sind sie ideal. Flüssiges Fahren in Kombi mit Achterbahnfeeling macht Laune und bringt schnelle Erfolgserlebnisse – und begeistert so schon die Kleinsten fürs Biken. Die Region St. Moritz-Celerina setzt seit ein paar Jahren konsequent darauf und plant auch für die kommenden Jahren einen weiteren Ausbau in diese Richtung.

Doch von Celerina aus steht uns mindestens noch eine weitere Himmelsrichtung offen, die wir am nächsten Tag erforschen wollen. So stehen wir im frühen Morgenlicht mit zwei befreundeten Familien am Bahnhof und warten auf die „kleine Rote“, den Bernina Express, der uns kräfteschonend hinauf zum Berninapass schnaufen wird. Auch der ÖV ist im Bergbahnticket, das es in teilnehmenden Hotels ab der zweiten Übernachtungen kostenfrei mit dazu gibt, inkludiert. Das erweitert den Radius und die Möglichkeiten enorm und erleichtert die Familienkasse spürbar. Allein die Fahrt ist schon ein Erlebnis, wenn nicht gar DAS Erlebnis des Wochenendes. Denn im offenen Waggon sind wir hautnah dran – am rauschendkühlen Fahrtwind, an den schier atemberaubenden Gletscher- und Seenblicken und am Geisterbahnfeeling im düsteren Lawinenschutztunnel. Fast wären wir ein wenig traurig, dass die Fahrt nach einer guten halben Stunde bereits zu Ende ist, hätten wir vom Zug aus nicht bereits unseren Trail entdeckt (Hier gehts zum Pin). In stetem Auf und Ab schaukeln wir auf dem insgesamt einfach zu fahrenden Naturweg von der Passhöhe über den heute türkis glitzernden Stausee über bunte Wiesen hinab zum Fusse des Morteratsch-Gletschers. Allein das umwerfende Panorama zwingt uns Erwachsene immer wieder zu kurzen Stopps, bevor wir den kleinen Trailfexen weiter hinterhereilen.

Jetzt haben wir Hunger und freuen uns auf eine Brotzeitpause in der idyllisch gelegenen Morteratscher Alp-Schaukäserei, in der die Kinder nicht nur beim Käsen zuschauen, sondern begeistert auch gleich mitmachen dürfen. Hier wird mit Hand, Herz und Seele gearbeitet, das sieht und schmeckt man.

Gestärkt nehmen wir mit der Verlängerung des Bernina-Trails bis hinab nach Pontresina noch ein letztes Trailschmankerl in Angriff und rollen schliesslich zufrieden am Bach entlang zurück nach Celerina – natürlich nicht ohne einen kurzen Abstecher auf den riesigen Pumptrack in Pontresina

So klingt ein Wochenende ganz nach unserem Geschmack aus. Nicht nur die Kinder, auch wir Erwachsene sind dabei auf unsere Kosten gekommen – was nicht zuletzt an einer kleinen Auszeit lag, die wir uns am ersten Vormittag gegönnt hatten. Denn was im Skisport bereits Standard ist, setzt sich auch im Mountainbiken zunehmend durch: Regionale Bike-Schools, die ähnlich wie die Skikurse im Winter, im Sommer das spielerische Lernen unter Gleichgesinnten und vor allem unter Gleichaltrigen ermöglichen. Auch Celerina hat die Kids Bike Academy zu bieten, in deren herzlich-offenen Atmosphäre Luna sofort Anschluss gefunden und uns schon nach wenigen Minuten vergessen hat – ein seltener Freiraum, den wir für eine Fahrt hinauf zum über 3000 Meter hohen Piz Nair mit seinen anspruchsvollen Trails durch die fast mystisch anmutende Mondlandschaft genutzt haben. Mit allseits leuchtenden Augen trafen wir uns schliesslich in Marguns wieder, am Fusse des neuen Marmotta-Flowtrails, um hier nun das perfekte Familien-Wochenende so richtig ins Rollen zu bringen.

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